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Die Kinematik beschreibt die Lage, Geschwindigkeit und
Beschleunigung eines Körpers im Raum. Zur Messung der
Kinematik der Gliedmaßensegmente beim lebenden Hund
in der Bewegung, bedienen sich die Forscher der bereits
in der Jenaer Fortbewegungsstudie bewährten Hoch-
geschwindigkeits-Bewegungsanalysesystems. Das Sys-
tem besteht aus einem Laufband, einer Hochgeschwindig-
keits-Röntgen-Kamera und Infrarotkameras, die die Positi-
on bestimmter Marker im Bewegungsablauf verfolgen.
Die Marker sehen aus wie seitlich abgeflachte Tischtennis-
bällchen und sind mit einem reflektierenden Material be-
schichtet. Die Marker werden an genau definierten Körper-
punkten völlig schmerzfrei auf dem Hund befestigt und stö-
ren ihn in keiner Weise. Wenn sich der Hund anschließend
über ein Laufband bewegt, werden die kinematischen Da-
ten der Marker in der Bewegung von mehreren Infrarotka-
meras aufgezeichnet und schließlich im System verrech-
net.
Gleichzeitig wird in Hannover von einem Vertreter jeder
der untersuchten Rassen ein Ganzkörper-CT angefertigt,
das zur Erstellung einer digitalen „Knochenmarionette“
verwendet wird, auf die die gewonnenen Bewegungsdaten
übertragen werden, um sie in einem dreidimensionalen
animierten Modell zu visualisieren.
Computeranalyse der Belastung der Gelenke im Bewegungsablauf.
Die Kraft des Pfotendrucks
Mit Reaktionskräften sind jene Kräfte gemeint, die in der
Stemmphase, d.h. der Phase des Bodenkontakts, jeden
Beines auf den Boden ausgeübt werden. Ermittelt werden
die Bodenreaktionskräfte mithilfe eines viergeteilten Lauf-
bandes, das es ermöglicht die Kräfte jeden einzelnen Bei-
nes zu erfassen. Dieses Laufband gibt es in Europa nur an
der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Die Messungen
der Bodenreaktionskräfte werden daher dort in Zusam-
menarbeit mit Ingo Nolte durchgeführt. Die Daten aus den
morphometrischen, kinematischen und den kinetischen
Untersuchungen werden von einer speziellen Software
verrechnet.
In einem Pilotprojekt 2014 wurden zunächst fünf Beagle
auf diese Weise erfolgreich analysiert. Das Manuskript
über diese Studie ist bei einer wissenschaftlichen Fach-
zeitschrift eingereicht. 2015 wurden gesunde Hunde der
Rassen Französische Bulldogge, Malinois und Whippet
untersucht. In diesem Jahr sollen in Zusammenarbeit mit
Prof. Dr. Ingo Nolte gesunde Labrador Retriever und Hun-
de mit bekannten Gelenkproblemen im Vergleich unter-
sucht werden. Vor der eigentlichen Untersuchung werden
alle Tiere an die Geräte und die Laufbänder gewöhnt.
Schließen einer Wissenslücke
Ziel der Studie ist es, objektive Daten zur tatsächlichen
Belastungssituation in Abhängigkeit von der Gangart für
jedes Bein und jedes Beinpaar zu ermitteln. Im Vergleich
mit anderen Hunden der gleichen Rasse aber auch ande-
rer Rassen sind dann Aussagen über individuelle und
krankheitsbedingte Unterschiede auf einer rationalen Ba-
sis möglich. Die Ergebnisse der Studie werden darüber
hinaus eine bedeutende Wissenslücke über die Biomecha-
nik der Fortbewegung beim Hund schließen und sollen in
eine neue Auflage des Buchs „Hunde in Bewegung“ ein-
fließen.
Die GKF fördert die Studie nur zu einem Teil. Die Firma
Heel übernimmt einen Großteil der Kosten des Projektes,
weshalb die Studie auch offiziell den Titel „Heel-Studie zur
Glenkdynamik“ trägt.
Barbara Welsch
Arbeitstitel
Forschungsprojekt zur Ermittlung der Gelenkbelastung bei
unterschiedlichen Gangarten mittels der inversen Dynamik
Kontakt
Prof. Dr. Martin S. Fischer
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Institut für Spezielle Zoologie und Evolutionsbiologie mit
Phyletischem Museum
Martin.fischer@uni-jena.de